Georg Estler
Landschaftsmaler
03.03.1860 Meißen - 1.11.1954 Dresden-Klotzsche
Schüler Ludwig Richters, Mitbegründer des Goppelner Malerkreises.
Literatur:Vollmer II, 1955, 57; ThB XI, 1915, 55 s,
Friedrich, Ludwig Richter und sein Schülerkreis, 1956
Verona, Piazza d'erbe - Verona, Piazza d'erbe
Verona, Piazza d'erbe, Alte Marktfrau - Verona, Piazza
d'erbe,
Fronleichnamsaltar, Dürnstein/Donau - Feast of Corpus
Christi-altar
Ragusa (Dubr0vnik) Dalmatien - Ragusa in Dalmatia
(today Dubrovnik)
Ragusa (Dubrovnik) Dalmatien, Straßenszene - Ragusa in
Dalmatia (today Dubrovnik), Street scene
Georg Estler:
3. März 1860 Meißen - 11. Januar 1954 Dresden-Klotzsche
Georg Gustav Estler durfte sich den "letzten Schüler Ludwig Richters" nennen, da er alle andern Meisterschüler Richters überlebt hat. Er war am 3. März 1860 in Meißen geboren als erstes Kind unter achten eines gelernten Konditors und späteren Bahnangestellten. Die Mutter betrieb
:zeitweise einen kleinen Lebensmittelhandel. Die künstlerische Begabung des Sohnes war offenbar ererbt; denn ein Großonkel und zwei Onkel mütterlicherseits waren Maler an der Meißner Porzellan-Manufaktur und unterstützten seine früh hervortretende Lust am Zeichnen. Der Vater wurde bald nach Dresden versetzt, und in einer Dresdner Bürgerschule förderte den Jungen ein guter, akademisch gebildeter Zeichenlehrer namens Kluge. Der Plan stand fest: Georg wollte unbedingt Maler werden. Da er aber arm war, versuchten die Eltern, ihn nach der Konfirmation in Meißen zuerst zum Porzellanmaler ausbilden zu lassen. Die betreffende Meißner Schule war jedoch gerade überfüllt, und so zeichnete Georg den ersten Sommer lang fleißig für sich und nahm jeden Sonnabend Privatunterricht bei einem Meißner Maler namens Näther. Schon im Herbst 1874 glückte es dem Vierzehnjährigen, in die Dresdner Kunstakademie einzutreten. Dort zeichnete er wie üblich in der Unterklasse das erste Halbjahr nach Vorlegeblättern, das Zweite Halbjahr nach Gipsen bei den Professoren Kriebel, Schönherr und Bary, die immer nur je einen Monat lang Korrektur hatten, dann ein zweites Jahr im Gipssaal nach Antiken bei den Professoren Gonne, Scholtz und Hofmann, und schließlich malte er ein halbes Jahr im Malsaal Köpfe und Menschen bei Professor Ehrhardt. Im Sommer 1877 nahm er, um die Semesterkosten zu sparen, Urlaub zum Selbststudium. Beim abendlichen Aktzeichnen korrigierten, monatsweise abwechselnd, die Professoren Hähnel, Schilling und Peschel, also nur Figurenmaler und Bildhauer; Ludwig Richter hat als Landschafter nie Akt korrigiert. Da Georg Estler Landschafter werden wollte, beteiligte er sich treu am freiwilligen Landschaftsunterricht Allsonnabends, den damals schon Paul Mohn in Stellvertretung Ludwig Richters leitete. Im Sommer ging es da wohl den ganzen Tag in den Plauenschen Grund oder nach
Loschwitz, im Winter wurde in der Akademie kopiert oder ausgeführt.
Im Herbst 1877 trat Georg Estler in Ludwig Richters Landschaftsatelier ein, das sich damals im Erdgeschoß des alten kleinen Akademiegebäudes an der Zirkusstraße in zwei Zimmern befand. Jeder Schüler arbeitete an einem Fenster. Professor Richter war zwar schon am 1. Dezember des Vorjahres (1876) in den Ruhestand getreten, aber er kam doch etwa einmal in der Woche zur Korrektur, wobei ihn seine Augenschwäche sehr behinderte. Paul Mohn, der fast täglich kam, war nach Estler ein langer Herr mit langen Beinen, rauchte stark und verschenkte wohl auch Zigarren, wenn aber Richter kam, durfte nicht geraucht werden. Ludwig Richter war, nach Georg Estlers Erinnerungen, freundlich, ja weichherzig, in der Korrektur aber sehr kritisch. Öfter verbesserte er eine Stelle und sagte: "Daß die Krähen (die Kritiker) nichts zu hacken finden !" Sein Augenleiden hemmte ihn sehr. Mit der Brille aber gab er noch manchen guten Rat. Mitteilsam erzählte er allerlei, was er damals gerade in seinen Lebenserinnerungen niederschrieb. Mohn widersprach sich nach Estlers Erinnerung oft, unterdrückte gern die Eigenart der jungen Künstler und zwang sie, "mohnisch" zu malen. Da er damals gerade Strehlen sehr liebte, kamen bei seinen Korrekturen immer nur Strehlener Landschaften heraus.
Estler wurde stark beeinflußt von Oswald Achenbachs Galeriegemälde Rocca di Papa. In einem Komponierverein "Mappe" sammelten sich die jungen strebsamen Künstler zu allmonatlichen Abenden. Große Künstlerfeste waren Höhepunkte der "Mappe". Schon 1879 erwarb der Sächsische Kunstverein ein Ölbild des Frühbegabten, "Im Elbtal". Mitschüler Estlers waren damals Kuntze, der als Malschüler starb, Ernst Fischer, Max Claus und Wladimir Jettel. Für Kuntze trat eine Zeitlang Hugo Mühlig ein. Im Sommer waren die Schüler meist sich selbst überlassen. Mohn sagte: "Auf Wiedersehen dann im Herbst, meine Herren!" - und die jungen Maler konnten in die Weite ziehen. Verstimmt über mancherlei, verließ Estler nach zwei Jahren das Landschaftsatelier Mohns und ging im Herbst 1879 auf zwei Jahre zu dem Historienmaler Julius Hübner, dem feinen, hochgebildeten Galeriedirektor. Der schickte ihn zuerst noch auf ein paar Wochen zu dem Bildnismaler Leon Pohle, bei dem Estler einige Köpfe malte. Bei Hübner vollendete der Zwanzigjährige sein erstes größeres Ölbild, eine Landschaft mit der Meißner Albrechtsburg in der Feme, bezeichnet "G. Estler 1880". Ein hoher Felsen rechts, eine Weinbergsmauer mit einem Hause links führen den Blick auf einer ummauerten Straße tief in die sonnige Landschaft ein. Im Hintergrund zeigt sich der Riß der Albrechtsburg von der Elbseite her. Das schöne Bild von bester (fast möchte man sagen französischer) Malkunst entzückte sechzig Jahre später auf einer Dresdner Ausstellung die Kunstfreunde.
Im Sommer 1881 trat Estler für zwei Jahre ins Meisteratelier des Landschaftsmalers Friedrich Preller des Jüngeren ein, der im Herbst 1880 ordentlicher Nachfolger Ludwig Richters geworden war. Mit Preller, diesem gemütlichen und witzigen, dabei bedeutenden Meister, der seine Schüler wie Söhne hielt und sie oft in seine Familie zog, befreundete sich Estler herzlich. Preller nahm Estler für zwei Sommer mit nach der Rhön; je ein Vierteljahr malten sie dort mit anderen in dem Rhöndorfe Kleinsassen, das schon Preller der Ältere entdeckt hatte. Auf ein Gemälde aus der Rhön erhielt Estler neben der kleinen Silbernen Medaille das Munckeltsche Stipendium in Höhe von 3600 Mark, für drei Jahre geltend, also jeden Monat drei Jahre lang 100 Mark. Schon bei Professor Hübner hatte er zweimal je 120 Mark aus der Torniamenti-Stiftung erhalten. Der Italiener Torniamenti, der auf der Brühlschen Terrasse ein vornehmes kleines Kaffeehaus führte (gebaut in Form eines Tempelchens mit vier ionischen Säulen), hatte diese Stiftung 1869 zur Erinnerung an seinen verstorbenen Sohn errichtet. (Die vier Säulen befinden sich jetzt an der "Bürgerschänke" in Klotzsche, ehemals Graf-Spee-Straße. )
Auf sein Bild "Der Wilderer" erhielt der Hochbegabte 1883 das große Akademische Reisestipendium, 2400 Mark zunächst für ein Jahr, und dann ebensoviel noch ein zweites Jahr. Der Künstler sagte uns, seiner Erinnerung nach sei er der einzige Landschaftsmaler gewesen, der zu seiner Zeit das Munckeltsche Stipendium erhalten habe. Froh fuhr Georg Estler nach Italien und besuchte 1883-1884 Rom, Tivoli, Olevano und vor allem Capri. Wieder nach Dresden zurückgekehrt, gab er viel Malunterricht. Im Jahre 1887 zog er noch einmal für zwei Jahre nach Italien und malte in Tivoli, Subiaco und Olevano. Und 1894 malte er wiederum in Italien. Nach einigen Jahren richtete er ein Schüleratelier in Dresden auf der Ostbahnstraße ein, in dem er in der besten Zeit immer fünfzehn bis zwanzig Malschüler und -schülerinnen unterrichtete. Der liebenswürdige, angenehme Künstler mit dem gediegenen Können zog die jungen Menschen an. Damals gab es in Dresden wenige ausgesprochene Landschaftsmaler, neben Estler eigentlich nur Adolph Thomas, C. W. Müller und Wilhelm Ritter, und Estler war fast der einzige Aquarellist unter ihnen. Nur noch etwa Erwin Oehme malte damals in Dresden Aquarell. Gegen 600 Malschüler hat Estler in über dreißig Jahren unterrichtet, vor allem junge Damen, darunter auch viele Ausländerinnen. Im Sommer nahm die Schülerschaft oft Aufenthalt in Salesl in Böhmen.
Georg Estler heiratete 1889 Gertrud Schaberschul, deren Vater Wilhelm Andreas Schaberschul als Dekorationsmaler von Ruf das Dresdner Opernhaus, die Meißner Albrechtsburg und viele andere Schlösser geschmückt hatte. Der Bruder Max Schaberschul war Maler und bedeutender Witzezeichner in Langebrück. Der Ehe erblühten drei Töchter und ein Sohn. Georgs Bruder Richard Estler war auch Maler geworden, er wirkte lange als Professor an der Kunstschule in Hanau. Um 1892 schloß sich Estler mit mehreren Dresdner Künstlern, die wie er die impressionistische Freilichtmalerei übten, zur "Goppelner Gruppe" zusammen. Diese "Goppelner Gruppe" entstand eigentlich aus einem Kegelklub, den Georg Estler gegründet hatte und der die Maler Karl Bantzer, Wilhelm Claudius, C. W. Müller, Paul Baum, Hermann Prell, Julius Scholtz, den Porträtmaler Hofrat Konrad Böhringer und den Tiermaler Hanns Taeger einmal in der Woche in "Schützes Restaurant" in Strehlen, später "Keglerheim" genannt, mit mehreren Kunsthändlern und Kunstfreunden zusammenführte. Der Spitzname dieser Freunde war zuerst "Strehlener Ortsgruppe". Wilhelm Ritter war es, der das hochgelegene Dörflein Goppeln bei Leubnitz-Neuostra mit seinem stillen grünen Gebergrund dahinter entdeckte und der die Kegler eines Tages nach Goppeln lockte. Von da an zogen die Freunde oft täglich hinaus nach Goppeln. Im einfachen Dorfgasthof wurde gerastet, und abends ging es wieder heim. Bisweilen trank man auch ein Glas sauren Weins in Bielacks Weinberg. Vor allem Ritter und Bantzer malten oft in Goppeln. Ritters Gemälde "Vorfrühling im Gebergrunde" von 1893 erwarb die Dresdner Galerie. Karl Bantzer wohnte sogar längere Zeit in Goppeln. Seine "Gebergrundlandschaft" in der Dresdner Galerie trägt die Jahreszahl 1894. Noch fünfzig Jahre später erinnerte man sich in Goppeln an das lustige Malervolk und seine Frauen. Einmal wurde sogar ein großartiges "Frühlingsfest" gefeiert trotz plötzlich eingefallenen Schnees, und es ging hoch her im Gasthof mit den geladenen Dresdner Ehrengästen und den Goppelner Bauern. Auch Max Klinger hat die "Goppelner" einmal besucht. Kürzere Zeit nur malten Paul Baum und Arthur Stremel in Goppeln. Längere Zeit nahmen teil das Künstlerehepaar Karl Mediz und Emilie Mediz-Pelikan (genannt "Die Mediz und der Pelikan"), Wilhelm Claudius, Gotthard Kuehl, Alexander Stichart, Franz Hochmann, Oskar Seidel, Georg Müller-Breslau und vor allem unser Georg Estler. Die "Goppelner Gruppe" ging dann in die "Sezession" über.
Hauptsächlich arbeitete Georg Estler Aquarelle, von denen viele der schönsten ins Ausland gingen. Die Dresdner Heide, Böhmen und der Spreewald boten ihm viel Stoff. Estler wurde ein Meister des Landschaftsaquarells, das er im freien Licht luftig und malerisch aufbaute. Auf der Leipziger "Bugra", der großen Ausstellung für Buch und Graphik 1914, stellten zwei graphische Firmen als Meisterstücke ihres Könnens riesengroße Buntdrucke aus, die eindrucksvolle Landschaftsgemälde unseres Malers genauestens wiedergaben. Georg Estler war aber
auch ein Meister des Zeichenstiftes. Manche seiner gezeichneten Bäume und Waldstücke von erstaunlichstem Können wurden als Vorlagen veröffentlicht (z. B. in "Anleitung zu Skizzierübungen" von Thieme und Elßner,
Jul. Klinkhardt, Leipzig 1925).
Für seine Kinder arbeitete Estler ein Kindertheater. Mit höchster Meisterschaft aquarellierte er die Landschaftshintergründe, -kulissen und -soffitten zu den Theaterstücken, und dann schnitt er aufs allerfeinste die einzelnen Bäume und Blätter aus. Daß das eine fabelhafte Sache gibt, wenn ein Richterschüler so etwas mit Lust und Liebe schafft, ist einzusehen. . .
Seit 1909 wohnte der Künstler in einem Landhaus in Klotzsche, und 1927 schloß er seine Dresdner Malschule. Rüstig bis ins hohe Alter, hat er dem Verfasser noch viel erzählt aus alter Zeit. (Aus seinen mit hoher Geistesklarheit vorgetragenen und oft wiederholten Erzählungen erkannte der Verfasser, daß die Matrikel der Kunstakademie, diese erste Geschichtsquelle, mancherlei Fehler aufweist, daß oft die dort angegebenen Daten ungenau sind, daß manches darin vergessen, manches versehen ist.) Ein Augenleiden trübte des Künstlers Alter. "Der letzte Schüler Ludwig Richters" hat seinem Meister Ehre gemacht.